OSTERZEIT
VIERTER SONNTAG
22
DER GUTE
HIRT. LIEBE ZUM PAPST
Die
Einsetzung des Primats.
Das Petrusamt: Gebet für den Papst.
Jeder Papst ist anders.
I.
Auferstanden ist der Gute Hirt. Er gab sein Leben für die Schafe. Er ist für
seine Herde gestorben, Halleluja1
Die
Gestalt des guten Hirten beherrscht die Liturgie dieses Sonntags. Das Opfer des
Hirten hat den Schafen das Leben wiedergeschenkt, seine Hingabe bringt ihnen
Rettung. Jahre später stärkt Petrus den Glauben der Christen, indem er sie an
alles erinnert, was der Herr für sie getan und gelitten hat:
Durch
seine Wunden seid ihr geheilt. Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt
aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen.
Deshalb betet die Kirche heute:
Allmächtiger, ewiger Gott, dein Sohn ist der Kirche siegreich vorausgegangen als
der Gute Hirt. Geleite auch die Herde, für die er sein Leben dahingab, aus aller
Not zur ewigen Freude3
Aus den
ersten christlichen Jahrhunderten sind uns, vor allem in Fresken und Mosaiken,
zahlreiche Darstellungen vom guten Hirten überliefert. Sie erinnerten die
Gläubigen an die barmherzige Güte des menschgewordenen Gottes, der die Seinen
niemals im Stich läßt. Dies will auch die heutige Liturgie. Gleichzeitig können
wir in unserem persönlichen Gebet an alle denken, die im Auftrag des Herrn das
Hirtenamt ausüben, besonders an den Träger des Petrusamtes.
Im Alten
Testament ist Mose der Hirt der Herde Gottes4,
und David wird von Gott von seinen Schafen weggeholt, um das Volk Israel zu
weiden5.
Aber auch Gott selber ist der Hirte Israels6,
der das zerstreute und versprengte Volk wieder sammelt. Alle Verheißungen und
Erwartungen an den vollkommenen Hirten, die im Alten Testament anklingen,
erfüllen sich im Neuen in der Gestalt Jesu. Vor allem im Johannes-Evangelium
erkennen wir neue Züge. Jesus ist keine Herrschergestalt, wie der messianische
König es ist. Er ist der gute Hirt, der sein Leben für die Schafe hingibt und
Hirten einsetzt, damit diese sein Werk weiterführen. Im Gegensatz zum Mietling,
der im Augenblick der Gefahr die Schafe im Stich läßt, um sein eigenes Leben zu
retten, setzt Jesus sein Leben für die Schafe ein und zeigt damit, daß sie
seine
Schafe sind. Aber dies ist mehr als ein Eigentumsverhältnis, es ist »das
wechselseitige Verhältnis zwischen Hirt und Herde, das im Bilde als Rufen des
Hirten und Hören (Kennen) seiner Stimme durch die Schafe, in der Deutung als
gegenseitiges Sich-Kennen beschrieben wird= 7. Jesus ist der eine Hirt und - wie
es im 1. Petrusbrief heißt - der oberste Hirt8.Als der auferstandene Herr vor
seiner Himmelfahrt Petrus zum Hirten seiner Herde einsetzte,9
erfüllte sich die vor der Passion gegebene Verheißung:
Ich aber habe für dich gebetet, daß
dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke
deine Brüder.10
Lassen wir jenen Augenblick
11
auf uns wirken: »>Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?< Wie
menschlich rührend, daß hier Jesus ihn ein letztes Mal beim ursprünglichen Namen
nennt - immer, von Ewigkeit her, heißt das, bist du mein gewesen, auch schon als
du bloß der Simon aus Betsaida warst. Und die zutiefst menschlich vornehme
Antwort, die nicht einfach lautet >Ja<, was er vor den anwesenden Freunden nicht
fertigbringt, weil es ihnen weh tun könnte. So sagt er denn: >Ja, Herr, du
weißt, daß ich dich liebe.< Wie hat Jesus ihn wohl, falls man es überhaupt so
ausdrücken kann, für dieses demütige Zartgefühl geliebt! Er sagte zu ihm: >Weide
meine Lämmer.< Das sind die kleinen, die jungen, die noch taumeligen und
schwachen Schafe. Sie nennt der Herr der Kirche als erste, denn sie bedürfen
zuallererst des guten Futters, der regelmäßigen ausreichenden Nahrung, sonst
gehen sie zugrunde. Noch einmal fragt Jesus: >Simon, Sohn des Johannes, liebst
du mich?< Und noch einmal die gleiche Antwort. Aber nicht die ganz gleiche
Weisung Jesu, sondern: >Hüte meine Schafe!< Das heißt, nicht nur für ihre
Ernährung sorgen, sondern auch für ihren Schutz vor den Wölfen und vor den
Unbilden der Natur.«12
Und zum
dritten Mal die Frage:
Da wurde Petrus traurig, weil Jesus
ihn zum drittenmal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zur Antwort:
Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich lieb habe. Jesus sagte zu ihm:
Weide meine Schafe. »Es versteht sich, auch die ausgewachsenen
Tiere der Herde brauchen Weidegrund.
Weide meine Lämmer -
hüte meine Schafe -
weide
meine Schafe. Diese Reihenfolge ist nicht zufällig, sie bezeichnet genau die
Lebensbedingungen und -gesetze für das Werden und Wachsen von Kirche, damals wie
gestern, heute und alle Zeit.«13
II.
Einen anderen
Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus.14
Diesen einen Grund hat der Stifter der Kirche in Petrus sichtbar machen wollen.
Durch einen Befehl, der auch eine Bitte ist, hat der Gekreuzigte und
Auferstandene »den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt
und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der
Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt«15.
Wo Petrus
ist, da ist die Kirche, wie Christus sie gestiftet, gewollt hat. Der Bau der
Kirche ruht nach dem Willen des Herrn auf dem Felsen Petri. »Das
Unproportioniertsein der Menschen zu solcher Funktion ist so schreiend, so
eklatant, daß gerade in der Beauftragung des Menschen mit der Felsfunktion
sichtbar wird, daß es nicht diese Menschen sind, die die Kirche halten, sondern
er allein, der dies mehr trotz der Menschen als durch die Menschen tut. Das
Geheimnis des Kreuzes ist vielleicht nirgends so greifbar anwesend wie in der
kirchengeschichtlichen Realität des Primats. (...) Wenn die Kirche im Glauben an
diesen Worten festhält, ist dies nicht Triumphalismus, sondern die Demut, die
staunend und dankbar den Sieg Gottes über die menschliche Schwachheit und durch
sie hindurch erkennt. Wer den Worten aus Furcht vor Triumphalismus oder vor
menschlicher Eigenmacht ihre Kraft nimmt, verkündet nicht den größeren Gott,
sondern verkleinert ihn, der gerade im Paradox menschlicher Ohnmacht die Macht
seiner Liebe zeigt und damit dem Gesetz der Heilsgeschichte treu bleibt.«16
Auf dem
Felsen des Petrus ruht bis zum Ende der Zeiten der Bau der Kirche, allen
Erschütterungen der menschlichen Geschichte trotzend. Was unser Herr Jesus
Christus im heiligen Petrus eingesetzt hat, »das muß notwendig nach seiner
Anordnung in der Kirche fortdauern, die auf dem Felsen errichtet ist und bis zum
Ende der Zeiten feststehen wird«17.
Ähnlich
wie die Einsetzung des Primates am Anfang der Kirche steht, können wir die
Einheit der jungen Gemeinde mit ihrem Haupt bis in die Anfänge zurückverfolgen.
Die
Apostelgeschichte schildert uns in bewegenden Bildern die Liebe
und Fürsorge der Gläubigen, als Herodes Petrus ins Gefängnis werfen läßt und
plant, ihn nach dem Paschafest der Juden hinrichten zu lassen.
Die Gemeinde
aber betete inständig für ihn zu Gott.18
Als Petrus durch den Engel befreit wird, findet er sie im
Haus der Maria, der Mutter des
Johannes mit dem Beinamen Markus19
im Gebet versammelt. Dies setzt sich durch die Jahrhunderte fort im Gebet für
den jeweiligen Nachfolger des Petrus: »Der Herr erhalte ihn, er schenke ihm
Leben und Seligkeit auf Erden und beschütze ihn vor seinen Feinden.«20
Das Gebet
für den Papst und für seine Anliegen hat in jeder heiligen Messe einen festen
Platz. Aber unsere Verbundenheit mit ihm soll sich ebenso in unserem
persönlichen Gebet zeigen: »Gebet als Pflicht, als Dienst, als Akt der
Gerechtigkeit, denn Petrus hat ein Anrecht auf dieses Beten. Gebet als
zweifellos anstrengende Arbeit, die aus Treue, Loyalität und letztlich eben aus
Liebe zu verrichten ist.«21 Aber Gebet auch als Dank dafür, daß wir inmitten so
vieler Wirrnisse die Tragweite des Petrusamtes zu erkennen vermögen: »Dank, mein
Gott, für die Liebe zum Papst, die du mir ins Herz gelegt hast.«22
III.
Eure Ältesten
ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi
und auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird: Sorgt als
Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern
freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung;
seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde. Wenn
dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der
Herrlichkeit empfangen.23
Diese Worte aus dem 1. Petrusbrief greifen das Bild vom
guten Hirten auf, das
der erste Papst vom Herrn vernommen hatte, und weiten es aus. Sie sind nicht nur
eine Ermahnung an die Hirten von damals, sondern auch ein Vermächtnis an alle
Hirten, besonders an die Träger des Petrusamtes bis heute. Jeder Papst hat seine
persönliche Eigenart und trägt die Züge seiner Zeit. Aber allen ist gemeinsam,
was Johannes XXIII. kurz nach seiner Wahl in sein »Geistliches Tagebuch«
schrieb: »Seitdem mich der Herr, elend wie ich bin, zu diesem großen Dienst
berufen hat, fühle ich mich keinem privaten Bereich in diesem Leben mehr
zugehörig, weder Familie noch Heimat, Vaterland, besonderen wissenschaftlichen
Richtungen und Vorhaben, auch wenn sie gut sind. Mehr denn je erkenne ich mich
heute als unwürdigen und demütigen >Knecht Gottes und Knecht der Knechte<. Meine
Familie ist die ganze Welt. Dieses Gefühl universaler Zugehörigkeit muß meinen
Verstand, mein Herz und mein Tun bestimmen und beleben.«24
Die
letzten Jahrzehnte haben uns eindrucksvoll gezeigt, wie jeder Papst - jeder auf
seine Weise - treu den Auftrag des Herrn verwirklicht. Papst Paul VI. bekannte
wenige Monate vor seinem Tod »das unermüdliche, wache, brennende Anliegen, das
uns die fünfzehn Jahre unseres Pontifikates hindurch bewegt hat. >Den Glauben
habe ich bewahrt!< können wir heute sagen aufgrund unserer demütigen und
zugleich festen Überzeugung, niemals die heilige Wahrheit verraten zu haben.«25
Papst
Johannes Paul I. dachte vierzehn Tage vor seinem Tod an die gerade vierzehn Tage
zurückliegende Wahl und erzählte: »Das erste, was ich tat, kaum daß ich Papst
war - ich ging in die Privatkapelle des päpstlichen Hauses. Dort hat Papst Paul
an der Rückwand zwei Mosaiken anbringen lassen: Petrus und Paulus. Petrus, wie
er stirbt, und Paulus, wie er stirbt. Unter dem heiligen Petrus stehen die Worte
Jesu: >Ich werde für dich beten, Petrus, damit dein Glaube nicht wanke.< Unter
dem heiligen Paulus, der den Schwerthieb empfängt: >Ich habe meinen Lauf
vollendet und den Glauben bewahrt.<«26
Der Grund
unserer Liebe zum Papst ist nicht dieser oder jener uns besonders anziehende
Charakterzug, sondern die gläubige Einsicht in seinen Auftrag. Katharina von
Siena sah im Papst den
liebenswerten Christus auf Erden.
Um so weniger dürfen wir der Versuchung erliegen, Päpste aus verschiedenen
Epochen der Geschichte gegeneinander auszuspielen oder sie nach ihren uns mehr
oder weniger zusagenden Qualitäten zu beurteilen. Jemand sagte einmal: Manche
sehnen sich nach dem Papst von gestern, andere träumen vom Papst von morgen und
beide vergessen dabei den Papst von heute. Es ist Teil unseres christlichen
Zeugnisses, dafür zu sorgen, daß die Stimme des Heiligen Vaters alle erreicht.
»Mit Freude segne ich dich, Sohn, für den Glauben an deine apostolische Sendung,
der dich schreiben ließ: >Kein Zweifel: die Zukunft ist sicher, vielleicht trotz
uns. Aber wir müssen zusammen mit dem Haupt eine Einheit bilden -
ut omnes unum
sint! - durch Gebet und Opfer. <«27
Kommunionvers.
-
2,24-25. -
Tagesgebet.
-
vgl.
63,11. -
vgl.
78(77),70 ff. -
80(79),2. -
Regensburger Neues Testament,
Bd. 4, Regensburg 1961, S.200. -
5,4. -
vgl.
21,15-17. -
22,32. -
21,1. -
P.Berglar,
Petrus -
Vom Fischer zum Stellvertreter,
München 1991, S.166. -
ebd., S.167. -
3,11. -
II.Vat.Konz., Konst.
Lumen
gentium,
18. -
J.Kard.Ratzinger,
Zur
Gemeinschaft berufen,
Freiburg 1991, S.69. -
I.Vat.Konz., Konst.
Pastor
aeternus,
2. -
12,5. -
vgl.
12,12. -
vgl.
Enchiridion indulgentiarum,
1986, Nr. 39: Gebet
Pro
Pontifice.
-
P.Berglar, a.a.O., S.235. -
J.Escrivá,
,
573. -
5,1-4. -
Johannes XXIII.,
Geistliches Tagebuch,
Freiburg 1964, S.321. -
vgl. Paul VI,
,
29.6.78. -
Johannes Paul I.,
,
13.9.78. -
J.Escrivá,
,
Nr.968.