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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
13. WOCHE - DIENSTAG

5

GÖTTLICHES SCHWEIGEN

Jesus schweigt.
Jesus schläft.
Der Weg des Glaubens.

I. Wer bei der Lektüre des Evangeliums aufmerksam auf das, was Jesus getan und gelehrt hat1, achtet, wird auch spüren, wie natürlich und unauffällig er auftritt. Es ist wahr, daß Jesus Wunder wirkt als »Zeichentaten, die Gottes Heils- und Rettungswillen verdeutlichen und Anzeichen der hereinbrechenden Gottesherrschaft sein sollen«2. Aber dies ist etwas anderes als die vordergründigen Spektakel derer, die lediglich sich selbst suchen. Manchmal ist es, als wirkte der Herr seine Wunder wie beiläufig, im Vorübergehen. Großspurige Gesten, Aufsehen und Lärm liegen ihm nicht, eher die Sti lle. Manchmal legt er den Geheilten nahe, das Geschenk dankbar entgegenzunehmen, aber für sich zu behalten. Andere Male scheint er auf Hilferufe nicht zu reagieren, denen er dann doch entspricht. Erinnert diese Art des Herrn nicht an manche Gleichnisse über das Gottesreich? Das Gegenteil zum Spektakulären ist das stille Wachsen, und so soll seine Herrschaft in der Seele sein: sie soll verborgen wirken.

Die innere Ruhe prägt das Wirken des Herrn während seines öffentlichen Lebens. Einiges von der Unscheinbarkeit des verborgenen Lebens in Nazaret bleibt. »Das öffentliche Leben des Herrn hat, wenn es hoch kommt, drei Jahre gedauert; manche sagen, nicht einmal zwei. Wie klein ist diese Spanne Zeit! Aber wie bedeutungsvoll werden dann die dreißig Jahre vorher, in denen er nicht lehrte, nicht kämpfte, nicht Wunder wirkte. Es gibt im Leben des Herrn kaum etwas, das den gläubigen Sinn stärker an sich zöge als das Schweigen dieser dreißig Jahre.«3

Jesu Schweigen verstärkt sich, wenn die Zeit des Leidens kommt. Eine kreischende, aufgepeitschte Menge umgibt ihn, falsche Zeugen bedrängen ihn und verdrehen seine Worte, untereinander verfeindete Menschen - Pharisäer und Sadduzäer, Herodes und Pilatus - verbünden sich gegen ihn: »Unheimlich ist das: wie die vom Haß zerrissene Welt für eine kurze Stunde gegen Jesus einig wird. Doch was tut er? An sich ist jeder Prozeß ein Kampf; hier wird nicht gekämpft. Jesus kämpft nicht. Er beweist nicht. Er widerlegt nicht. Er greift nicht an. Er wirbt nicht. Nichts von alledem, sondern er läßt dem Geschehen freien Lauf. Ja im gegebenen Augenblick sagt er genau das, worauf die Gegner rechnen und was nötig ist, damit er vernichtet werde. Jesus redet und handelt gar nicht aus der Logik des Prozesses und den Erfordernissen der Selbstverteidigung, sondern von anderswoher. Er sucht nichts abzuwenden; aber sein Schweigen ist weder Schwäche noch Verzweiflung. Es ist - wir können nur sagen, göttliche Wirklichkeit; heilig gesammelte Gegenwärtigkeit; vollkommene Bereitschaft.«4

Jesu Schweigen - das Schweigen des menschgewordenen Sohnes Gottes - inmitten entfesselter Leidenschaften ist weder frostig noch verachtend, es ist voll Mitleid und Vergebungsbereitschaft. Es ist, als möchte er jedem gegenüber die Chance der Umkehr nicht vereiteln. Ergriff Simon von Zyrene seine Chance, weil ihn kein Wort der Klage, sondern nur ein Blick traf? Der Herr weiß zu warten! Er hat mehr Geduld als wir. Er leidet am Kreuz, aber nicht als anklagendes Opfer menschlicher Ungerechtigkeit, sondern als das Lamm, das, geduldig, zum Schlachten geführt wird und eine neue und endgültige Ära der Barmherzigkeit eröffnet.

II. Im Evangelium der heutigen Messe5 schweigt Jesus nicht nur; er schläft. Er hat den ganzen Tag gepredigt und ist erschöpft. Aber da erhebt sich plötzlich ein Unwetter, so mächtig, daß das Boot von den Wellen überflutet wurde. In der knappen Bemerkung des Evangelisten - Jesus aber schlief - scheint die Fassungslosigkeit erfahrener Seeleute mitzuschwingen, das Staunen, daß einer schlafen kann, während Boot und Leben in Gefahr sind. Sie wecken Jesus: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! Und diesmal scheint Jesus der Staunende zu sein: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? Als wolle er ihnen sagen: Wißt ihr denn nicht, daß ich bei euch bin und daß das reicht, damit ihr nicht untergeht? Erst dann stand er auf, drohte den Winden und dem See, und es trat völlige Stille ein.

Da fragten sich die Jünger: Was ist das für ein Mensch, daß ihm die Winde und der See gehorchen? Später werden sie ihn als ihren Herrn und Gott bekennen. Der Heilige Geist wird ihnen das Verständnis für die Schrift eröffnen, und auch das Zeichenhafte jenes Geschehens auf dem See Gennesaret wird deutlich hervortreten. »Es gibt seit 2000 Jahren - und bis zum Ende der Zeiten hin - keine einzige Grundsituation im Leben der Kirche und im Leben des einzelnen Christen, die nicht in dem nur kurze drei Jahre währenden Erdenleben Jesu zu finden ist. (...) Der See Gennesaret ist immer. Mit häufigen Orkanen und aufgepeitschten Wassern, die Fischerboote vom Kentern bedroht, das Leben der Fischer in Gefahr. So ist auch die Geschichte der Kirche, das Herz der Menschheitsgeschichte. Und Gott läßt zu, daß Boote kentern und ihre Insassen umkommen. Nur ein Boot wird, wiewohl es in alleräußerste Seenot geraten kann, nicht kentern und untergehen: das Schiff Petri, die Kirche. Und wer sich in diesem Boot birgt, wird gerettet. (...) Die Nußschale des Simon auf einem palästinensischen Binnengewässer in einer stürmischen Nacht nimmt die ganze Kirche Gottes auf den Weltmeeren der Geschichte vorweg. Nie verliert Jesus Christus sie aus den Augen. Immer kommt er ihr zu Hilfe, in Sturm und bei Nacht.«6

Der Herr bleibt immer bei den Seinen im Boot der Kirche - manchmal mächtig wirkend, manchmal verborgen, aber nie abwesend. Die Jünger erfuhren es gleich zu Anfang ihres Predigens, als sie von Verfolgern umringt und dem krassen Unverständnis einer heidnischen Gesellschaft ausgesetzt waren. Der Meister hielt sie aufrecht und spornte sie zum apostolischen Zeugnis an. Auch heute ist das so.

Nicht nur die Kirche - auch der einzelne in ihr erfährt manchmal, während er sich mit ganzer Kraft bemüht, so etwas wie dieses Schlafen seines Herrn und Gottes. Der Allmächtige scheint abwesend zu sein, als kümmerte es ihn nicht, daß die Seinen in Gefahr sind.

Wenn also das Unwetter hereinbricht, die Kräfte nachlassen und die Beklemmung steigt, sollen wir an die Reaktion der Jünger denken: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! Wir werden dann die Wirksamkeit der göttlichen Allmacht verspüren und vielleicht auch den liebevollen Tadel, der uns zu einem stärkeren Glauben aufruft: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?

Die Nähe zu Jesus schenkt Sicherheit. Bei unserem Bemühen, die eigene christliche Berufung zu leben, das Familienleben zu heiligen, die berufliche Arbeit auf Gott hin zu verrichten und wirksames Zeugnis zu geben, erfahren wir Ängste und Nöte, Dunkelheit und Prüfungen, Unverständnis und Versuchungen. Aber am Ende schwinden sie, denn die Hilfe des Herrn ist stärker. »Freilich, er rettet nicht untätige Schlafmützen oder ungetreue Faulenzer. Er rettet die und schenkt den reichen Fischfang und das sichere Ufer denen, die in Treue und Gehorsam unermüdlich arbeiten und kämpfen.«7 Die einzige Gefahr ist, daß der Glaube selbst ermattet.

III. Wieso bleiben wir von Ängsten und Nöten nicht frei, wenn wir doch Kinder Gottes sind? Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? So die Antwort. Es darf uns nicht wundern, daß uns der Gleichmut von großen Heiligen nicht ganz gelingen will. »Die Welt, die wir mit den Sinnen wahrnehmen, ist ja natürlicherweise der feste Grund, der uns trägt, das Haus, in dem wir uns heimisch fühlen, das uns nährt und mit allem Nötigen versorgt, Quelle unserer Freuden und Genüsse. Wird sie uns genommen oder werden wir genötigt, uns aus ihr zurückzuziehen, so ist es wahrlich, als wäre uns der Boden unter den Füßen weggezogen und als würde es Nacht rings um uns her; als müßten wir selbst versinken und vergehen.«9 Auch dem Psalmisten sind Bangigkeit und Angst nicht unbekannt - und dabei sind die Worte seines Betens »= 8 Auch dem Psalmisten sind Bangigkeit und Angst nicht unbekannt - und dabei sind die Worte seines Betens unter dem Anhauch des Heiligen Geistes«, entstanden, als ein Sprechen Gottes »durch Menschen nach Menschenart«10: Warum schläfst du Herr? (...) Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Angst und Bedrängnis?11 Er ruft zu Gott vom Ende der Erde (...), denn mein Herz ist verzagt. Aber aus der Verzagtheit wird Hoffnung: Du bist mir eine Zuflucht, ein fester Turm geg= 10: Warum schläfst du Herr? (...) Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Not und Bedrängnis?11 Er ruft zu Gott vom Ende der Erde (...), denn mein Herz ist verzagt. Aber aus der Verzagtheit wird Hoffnung: Du bist meine Zuflucht, ein fester Turm geen die Feinde. In deinem Zelt möchte ich Gast sein auf ewig, mich bergen im Schutz deiner Flügel.12 Ausharrend im Gebet, erfährt er Gott - trotz aller Dunkelheit - als den Freund, der immer gegenwärtig ist. »In der Tat« heißt es weiter bei Edith Stein, »werden wir auf einen sicheren Weg gestellt, allerdings auf einen dunklen Weg, einen in Nacht gehüllten: den Weg des Glaubens.«13

Die Menschwerdung erhellt diesen Weg. Ihre Ankündigung verbindet sich mit der Botschaft des Friedens: Fürchte dich nicht14, sagt der Engel zu Maria. Auch der heilige Josef vernimmt dieses Wort: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht.15 Und die Hirten: Fürchtet euch nicht.16 Später wird Jesus jenen, die er seine Freunde nennt, versichern: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, euch aber sonst nichts tun können.17

Die Menschwerdung bekräftigt, daß Gott kein fernes, fremdes Wesen ist, sondern daß er in unsere Niederungen hinabsteigt, um uns den Weg der Gotteskindschaft zu zeigen. Aber manchmal fehlt dem Glauben die Verankerung im Gebet; man möchte das Dein Wille geschehe nur dann aussprechen, wenn es mit dem eigenen, ungeläuterten Willen einhergeht. Eine Krankheit, ein Todesfall oder ein finanzieller Engpaß können so einen Menschen von Gott entfernen - gerade in dem Augenblick, da nur das Sich-ihm-Überlassen den inneren Frieden sichert.

Andere Male ist nicht mangelnder Glaube der Grund der inneren Friedlosigkeit, sondern die Trockenheit im geistlichen Leben. Zurückblickend erinnert man sich an Zeiten, in denen alles so leicht ging: die Hingabe, das Opfer, das Zeugnis. Es befällt uns die Furcht, »der Herr wolle nichts von uns wissen, unsere Liebe sei nutzlos, ja sie sei nicht echt, weil sie keinerlei Freude in uns auslöst. Dann empfinden wir größten Widerwillen gegen jedes Streben, da wir weder etwas Gutes daran erkennen noch wissen, ob der mit uns zufrieden ist, dem unser Mühen gilt. (...) In einer solchen Lage gilt es, dem Herrn unerschütterliche Treue zu bezeigen und ihm einzig aus Liebe zu seinem Willen zu dienen, auch ohne Freude, auch in furchtbarer Traurigkeit und Angst.«18

Denn das Schweigen Gottes kann ein besonderer Gnadenerweis sein, uns zu läutern. Vielleicht erwartet der Herr, daß wir nur um so entschlossener beten, wie die Jünger in höchster Not: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! Wer sich an Jesus hält, erhält eine neue Sicht dessen, was wir sonst »Unglück« nennen, und erfährt in der Schwäche Kraft: »Glückliches Unglück der Erde! - Armut, Tränen, Haß, Unrecht, Schande... Alles vermagst du in dem, der dich stärkt.«19

Und vielleicht legen die Bedrängnisse einer Notlage Reichtümer des Glaubens frei, die halbverschüttet dalagen: »Wenn du dich bedrängt fühlst, wenn du große oder kleine Schwierigkeiten hast, dann bete zu deinem Schutzengel: Er wird vor Gottes Angesicht deine Sorgen lösen oder dir wirksame Hilfe zukommen lassen.«20

1 Apg 1,1. - 2 Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Bonn 1985, S. 155. - 3 R. Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S. 17. - 4 ebd., S. 470. - 5 Mt 8,23-27. - 6 P. Berglar, Petrus - Vom Fischer zum Stellvertreter, München 1991, S. 82. - 7 ebd. - 8 Edith Stein, Im verschlossenen Garten der Seele, Freiburg 1987, S. 55. - 9 II. Vat. Konz., Konst. Dei Verbum, 11. - 10 ebd., 12. - 11 Ps 44,24-25. - 12 Ps 61,3-4.6. - 13 Edith Stein, a.a.O., S. 55. - 14 Lk 1,30. - 15 Mt 1,20. - 16 Lk 2,10. - 17 Lk 12,4. - 18 Franz von Sales, Über die Gottesliebe, Einsiedeln 1985, S. 152. - 19 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 717. - 20 J. Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr. 931.

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