JAHRESKREIS
33. WOCHE - FREITAG
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HAUS DES
GEBETES
Christus
und der Tempel zu Jerusalem.
Der sakrale Raum und die liturgischen Zeichen.
Die Würde des Kultes im Neuen Bund.
I. In der
Lesung1
aus dem ersten Buch der Makkabäer hören wir, wie Judas und seine Brüder, nachdem
sie die Feinde geschlagen haben, nach Jerusalem hinaufziehen, um den von den
Heiden entweihten Tempel des Herrn zu reinigen und ihn neu zu weihen. Sie zogen
zum Berg Zion hinauf
unter Liedern, Zither- und
Harfenspiel und dem Klang der Zimbeln. Das ganze Volk warf sich nieder auf das
Gesicht, sie beteten an und priesen den Himmel. Acht Tage lang
feierten sie die Altarweihe und brachten Brandopfer dar.
Sie schmückten die Vorderseite des
Tempels mit Kränzen und kleinen Schilden aus Gold; sie erneuerten die Tore und
auch die Nebengebäude, die sie wieder mit Türen versahen. Im Volk herrschte sehr
große Freude; denn die Schande, die ihnen die fremden Völker zugefügt hatten,
war beseitigt. Man beschloß, Jahr für Jahr zur selben Zeit den
Weihetag zu begehen. So erneuerte das Volk Gottes nach Jahren der Unterdrückung
- zusammen mit dem Tempel - seine Frömmigkeit und seine Liebe zu Gott.
Auch im
Evangelium2
geht es um die Heiligkeit des Tempels. Jesus betritt das Haus seines Vaters3,
und mit heiligem Zorn vertreibt er die Händler, die den Tempel entweihten. Die
uns nicht so ganz fremde Situation entstand durch die Vorschrift im Buch Exodus,
daß kein Israelit ohne Opfergabe zum Tempel kommen sollte. Um den Weitgereisten
die Erfüllung dieser Vorschrift zu erleichtern, hatte sich die Praxis
entwickelt, in der Vorhalle des Tempels Verkaufs- und Geldwechselstände
aufzustellen. Das Treiben ähnelte mit der Zeit jedoch mehr einer Markthalle als
einem heiligen Ort. Eine plausible Praxis war zur Geschäftemacherei verkommen,
die zuweilen von den Tempeldienern selbst betrieben wurde.
Der Eifer
für dein Haus verzehrt mich
- Christus ist von diesem Eifer ganz erfüllt.
Er machte eine Geißel aus Stricken
und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld
der Wechsler schüttete er aus, und ihre Tische stieß er um.5
Und er bekräftigte sein Tun mit dem Wort des Jesaja:
Mein Haus soll ein Haus des Gebetes
sein. Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.6
Der Herr kann es nicht ertragen, daß man die Heiligkeit jenes Ortes mißachtet.
Um wieviel mehr gilt dies für uns, die wir im christlichen Gotteshaus das
eucharistische Opfer feiern und Christus - im Tabernakel wirklich gegenwärtig -
anbeten! Der selige Josemaría Escrivá merkt dazu an: »Es gibt eine Etikette der
Frömmigkeit. Erlerne sie. Diese >frommen< Leute tun einem leid, die es nicht
verstehen, der Messe richtig beizuwohnen, auch wenn sie sie jeden Tag besuchen.
Und auch jene, die sich nicht bekreuzigen können und statt dessen ein paar
seltsame, hastige Handbewegungen machen. Und jene, die das Knie nicht vor dem
Allerheiligsten beugen können - ihre lächerlichen Kniebeugen wirken wie Spott.
Und jene, die das Haupt nicht vor einem Madonnenbild verneigen.«7
II.
Kirchen werden konsekriert. Dies »ist etwas völlig anderes als, sagen wir, eine
Schiffs->Taufe< beim Stapellauf oder die >Einweihung< einer Brücke, eines
Autobahnsabschnittes, einer Kegelbahn. Solche Einweihungen bedeuten ja nichts
weiter als: Freigabe für den Gebrauch; sie tun also zur Sache selbst nichts
dazu. Eben dies macht den Unterschied im Vergleich zur
consecratio. (...)
Durch die Konsekration wird aus dem Bauwerk etwas, das es vorher nicht schon
war; es wird daraus eine Kirche, ein Heiligtum, eine
aedes sacra (...). Es
bedeutet zunächst, daß sie durch einen eigenen konsekratorischen Akt aus dem
Bereich des durchschnittlichen, normalerweise durch Arbeit, Lebenserwerb,
Existenzsicherung, durch Nutzung und Gebrauch, überhaupt durch die tätige
Realisierung von Zwecken charakterisierten Lebens herausgenommen sei.«8 Das
Verhalten in diesem geweihten, vom Alltäglichen abgegrenzten Bezirk ist anders
als »draußen« Es drückt, aus dem Inneren kommend, Liebe, Dankbarkeit und
Ehrfurcht aus. Selbst bei profanen Feierlichkeiten kann man merken, wie wichtig
eine eigene Atmosphäre ist: Sitzordnung und Kleidung, Programmfolge und Schmuck
betonen die Bedeutung des Geschehe»s, gleichgültig, ob es sich nun um einen
Empfang, eine Parade oder um eine sportliche Veranstaltung handelt.
Auch im
Umgang der Menschen miteinander kommt den äußeren Zeichen eine wichtige Funktion
zu. Der Mensch braucht sie, denn er ist nicht reiner Geist, sondern hat einen
Leib. Natürlich dürfen solche Gesten nicht leer sein: ein Verlobungsring ersetzt
die innere Haltung nicht, er drückt sie vielmehr aus. Eine Kniebeuge vor dem
Allerheiligsten kann den eigenen Glauben stärken, vielleicht sogar der erste
Schritt sein, den Glauben in einem anderen zu wecken. Johannes Paul II. erzählt
von seinem Vater: »Die einfache Tatsache, ihn niederknien zu sehen, war von
entscheidendem Einfluß in meinen jungen Jahren.«9
»Die
Liturgie ist eine Welt heilig-verborgenen, aber immerfort Gestalt werdenden und
darin sich offenbarenden Geschehens: sie ist sakramental. Es gilt also vor
allem, jenen lebendigen Akt zu lernen, mit dem der glaubende Mensch die
>sichtbaren Zeichen unsichtbarer Gnade< auffaßt, empfängt, vollzieht.«10
Das Kreuzzeichen, die Körperhaltung, der Gesang oder der Tonfall der Stimme
einerseits, die Kultgegenstände andererseits: der Weihrauch, die Paramente, die
heiligen Gefäße, die Kerzen... in alldem soll sich der Glaube ausdrücken.
Deshalb
wacht die Kirche sorgfältig über die liturgischen Bestimmungen, etwa wenn es um
den Altar geht als »Mittelpunkt der Danksagung, die in der Eucharistiefeier zur
Vollendung kommt11.
Sie machen sichtbar, daß dessen »unsichtbare
Sinngestalt (...) zweierlei in sich vereint: einerseits Tisch des kultischen
Mahles und anderseits zugleich Opferstein (...), unter welchem Namen -
lapis iste
- er im offiziellen Ritus der Altarweihe wie auch in der großen Theologie
ungezählte Male mit den biblischen Opferaltären der Abel, Abraham, Isaak, Jakob,
Moses ausdrücklich verknüpft wird, und natürlich überdies und vor allem mit dem
Felsen Christus, dem Opfer schlechthin, und dem Altar des Kreuzes
Andere Vorschriften beziehen sich auf den Ambo, an welchern den Gläubigen der »Tisch
des Wortes Gottes«13
bereitet wird.
Die
Zeichenhaftigkeit der Dinge erfordert das aufmerksame Auge und die innere
Wachheit des Empfängers. Dieser wird dann von sich aus erfinderisch werden: etwa
beim Betreten einer Kirche als erstes den Herrn aufzusuchen, bevor man sich der
Besichtigung zuwendet. Ein anderes Zeichen der Liebe zum eucharistischen Herrn
ist es, pünktlich zur Messe zu kommen, und das bedeutet, schon ein wenig früher
da zu sein.
III. Die
Sorge der Kirche um eine würdige Behandlung der Kultgegenstände hat tiefe
Wurzeln. Wir können sie bis in die Vorschriften verfolgen, die der Herr Moses am
Berge Sinai gibt. Sie setzen selbst die Einzelheiten für die Herstellung der
Bundeslade, des Leuchters, der Zeltdecke, der Vorhänge, des Altares, der
Opfergefäße und der Priestergewänder fest.14
Dies drückt die Herrschaft Gottes über sein Volk aus und bewahrt es außerdem vor
der Versuchung, die Riten der heidnischen Nachbarvölker nachzuahmen.
Tod und
Auferstehung Christi bedeuten das Ende des alten Tempels. Die Evangelisten
berichten, »daß im Augenblick von Jesu Tod der Vorhang des Tempels zerriß. Das
kann im Sinne der Evangelisten einmal bedeuten, daß der Vorhang weggenommen ist,
der bisher das Allerheiligste verhüllte, so daß nun Gottes Huld unverhüllt allen
Menschen offensteht: Er, der Gekreuzigte selbst, ist nun das Allerheiligste, das
in der Öffentlichkeit der Welt aufgerichtet ist; seine ausgebreiteten Arme sind
der offene Gestus der göttlichen Huld, die alle >an sich ziehen< will (vgl.
Joh
12,32). Man kann es auch in dem Sinn verstehen, daß damit symbolisch die
Zerstörung des Tempels angedeutet ist.«15
Mit Christus endet der alttestamentliche Kult, aber die Vertreibung der Händler
aus dem Tempel zeigt, wie der Herr den Eifer für das Gotteshaus zu einem
zentralen Punkt im Neuen Bund macht. Und er belehrt uns über die angemessene
innere Haltung, um die
Gaben
Gottes würdig entgegenzunehmen:
Gebt das Heilige nicht den Hunden und
werft eure Perlen nicht den Schweinen vor.16
Sakralität wird um so lebensnotwendiger, »je mehr der Absolutheitsanspruch des
bloß Nutzenden die gesamte Existenz mit Beschlag zu belegen droht. Desto mehr
bedarf der Mensch, um eines wahrhaft menschlichen Lebens willen, dieser Chance,
aus dem akustischen und optischen Getöse (kaufe dies, trinke das, iß jenes,
wähle den, amüsiere dich hier, demonstriere für oder gegen), aus diesem
pausenlosen Angeschrienwerden immer wieder hinaustreten zu können in einen Raum,
in welchem Schweigen herrscht und also wirkliches Hören möglich wird und das
Vernehmen der
Realität, auf welcher unser Dasein ruht und aus der es sich immerfort nährt und
erneuert.«17
Auch wenn
die Liturgie viele Abstufungen kennt, ist ihr Mittelpunkt klar: »Als Werk
Christi und des hierarchisch gegliederten Volkes Gottes ist die Feier der
heiligen Messe für die Welt- und Ortskirche wie auch für jeden einzelnen
Gläubigen Mitte des ganzen christlichen Lebens
Sogar die Bestimmungen über den Bau des Altares wollen dies hervorheben: »Nach
altem kirchlichem Brauch und wegen ihrer symbolischen Bedeutung soll die
Tischplatte eines feststehenden Altars aus Naturstein sein,
und der Tisch ist »mit
wenigstens einem Tuch zu bedecken.
Ebenso zeichenhaft ist die Vorschrift, »die
Eucharistie soll nur in einem einzigen, festen und sicheren Tabernakel
aufbewahrt werden.«21
In alldem äußert sich die Liebe zu Christus und der Glaube an seine wirkliche
Gegenwart.
Der
Kirchturm, die Glocken, der ganze Bau - alles ist Zeichen. An der Schwelle des
Christkönigsfestes kann es sinnvoll sein, folgendes zu bedenken: »Was die
etwaige Dominanz des Kirchenbaus im Stadtbild betrifft, so ist es ein dem rein
soziologischen Denken naheliegender Irrtum, zu meinen, sie könne primär nur
etwas zu tun haben mit der gesellschaftlichen oder politischen Stellung der
Kirche oder gar mit den konfessionellen Mehrheitsverhältnissen - und nicht
vielleicht weit mehr mit dem Glauben an die Königsherrschaft Christi oder mit
der Überzeugung, daß in Wahrheit die kultische Mysterienfeier, selbst wenn sie
empirisch in der Gefängniszelle oder in der Katakombe begangen wird, als ein
wesentlich öffentlicher Akt im Angesicht der gesamten Schöpfung geschieht und in
der Mitte der Welt.«22
1 Makk
4,36-37.52-59. -
2
Lk
19,45-48. -
3 vgl.
Lk
2,49. -
4
Ps
69,10. -
5
Joh
2,15. -
6
Lk
19,46. -
7 J.Escrivá,
Der
Weg, Nr.541. -
8 J.Pieper,
Über
die Schwierigkeit, heute zu glauben, München 1974, S.117-120. -
9
A.Frossard,
Fürchtet euch nicht!,
München 1982, S.13. -
10 R.Guardini,
Von
heiligen Zeichen, Mainz 1992, S.11. -
11
Messbuch,
Allgemeine Einführung,
259. -
12 J.Pieper, a.a.O.,
S.123. -
13 II.Vat.Konz., Konst.
Sacrosanctum Concilium, 51. -
14 vgl.
Ex
25-28. -
15 J.Ratzinger,
Dogma
und Verkündigung, München 1973, S.271. -
16
Mt
7,6. -
17 J.Pieper, a.a.O.,
S.131. -
18 Meßbuch, a.a.O., 1.
- 19
ebd., 263. -
20 ebd., 268. -
21
ebd., 277. -
22 J.Pieper, a.a.O.,
S.133.