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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
33. WOCHE - MITTWOCH

33

CHRISTUS SOLL HERRSCHEN

Falsche Erwartungen.
Gegenwart des Christlichen in den irdischen Wirklichkeiten.
Er soll zuerst in uns herrschen.

I. Jesus befindet sich nahe bei Jerusalem. Viele folgen ihm in der Meinung, dort werde er das Reich Gottes errichten, das endgültige Reich. Sie stellen sich einen triumphalen Einzug vor, der alle Feinde, Bedränger, Besatzer in die Flucht schlagen wird. Diese gefährliche Illusion spukte in den Köpfen vieler Juden der damaligen Zeit. Um sie zu korrigieren, erzählt Jesus das Gleichnis im heutigen Evangelium1.

Ein Mann von vornehmer Herkunft wollte in ein fernes Land reisen, um die Königswürde zu erlangen und dann zurückzukehren. Es war üblich, daß die Vasallen des Römischen Reiches sich in Rom die Königswürde holten. Ja, wahrscheinlich spielt der Herr hier auf die Vorgänge nach dem Tod des Herodes an. »Als die erwarteten Erbstreitigkeiten in der Königsfamilie ausbrachen, reisten die Herodessöhne zum Kaiser nach Rom. (...) Herodes hatte nämlich in seinem letzten Testament den Archelaus zum Erben eingesetzt. Dieses Testament war aber erst mit der Unterschrift des Kaisers rechtskräftig. Darum reiste Archelaus in das ferne Rom. (...) Kaum war des Archelaus' Schnellsegler am Horizont verschwunden, als auch Antipas mit einigen Verwandten ein Schiff bestieg. Sie waren entschlossen, den letzten Willen des Verstorbenen anzufechten. Aber auch die Juden blieben nicht untätig. Eine 50 Mann starke Delegation erschien beim Kaiser in Rom und verlangte die Absetzung des Herodes-Sohnes Archelaus.«2

Die Zuhörer werden sich bedeutungsvoll angeschaut haben, als Jesus sagte: Da ihn aber die Einwohner seines Landes haßten, schickten sie eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, daß dieser Mann unser König wird. Aber auch dies erzählt der Herr in einer bestimmten Absicht.

Das Gleichnis Jesu soll an erster Stelle dem gefährlichen Irrtum entgegentreten, das Reich Gottes werde sofort erscheinen. »Bevor Jesus als verherrlichter Messias in Macht kommt, muß er erst fortgehen. Statt des ersehnten sofortigen Erscheinens des Reiches steht den Seinen deshalb eine Wartezeit bevor, eine Zeit der Erprobung ihrer Treue und Tüchtigkeit.«3

Die Hauptzüge des Gleichnisses erinnern an das Gleichnis von den Talenten bei Matthäus4. Bei Lukas geht es um zehn Diener, von denen am Ende - wie bei Matthäus - nur drei Rechenschaft abgeben. Dies genügt, denn diese drei stehen für die wesentlichen Grundhaltungen eines Menschen im Umgang mit den Gaben des Herrn. Im heutigen Gleichnis ist der Herr ein Mann von vornehmer Herkunft, der ausdrücklich seinen Dienern den Auftrag gibt: Macht Geschäfte damit, bis ich wiederkomme.5 Hier empfängt jeder Diener die verhältnismäßig kleine Summe von je einer Mine, den sechzigsten Teil eines Talentes.

Die Diener bewähren sich. Sie werden dem Vertrauen ihres Herrn gerecht, der erwarten konnte, daß seine Abwesenheit nicht eine Zeit passiven Verhaltens, sondern des Handelns in seinem Sinne sein würde. Wir können das Gleichnis als Aufruf zur persönlichen Verantwortung jedes einzelnen für Wachsen und Mehren des Reiches Gottes verstehen, aber heute wollen wir es umfassender deuten und an alles denken, was in der Welt durch das Wirken der Kirche geschehen ist und geschieht.

Seit Pfingsten werden in der Kraft des Heiligen Geistes und im Namen Christi die Gaben Gottes - sein Wort, seine Sakramente - der Welt ausgeteilt, und sie bringen reiche Frucht. Und doch kann man sagen: »Vieles bleibt noch zu tun. Etwa, weil zwanzig Jahrhunderte lang nichts geschehen ist? Nein, vieles ist in diesen zwanzig Jahrhunderten geschehen. Das eilfertige Urteil, mit dem manche die Arbeit früherer Generationen abwerten, scheint mir weder sachlich gerechtfertigt noch sehr anständig zu sein. In diesen zweitausend Jahren wurde viel und oft auch sehr gut gearbeitet. Gewiß, es ist nicht ohne Fehler und Rückschläge abgegangen, es hat an Angst und Furchtsamkeit nicht gefehlt, doch auch nicht an Tapferkeit und Großmut. Aber die Menschheitsfamilie erneuert sich ständig, und so muß sich jede Generation aufs neue darum bemühen, dem Menschen zu helfen, daß er die Größe seiner Berufung als Kind Gottes entdeckt und sich das Gebot der Liebe zu unserem Schöpfer und zum Nächsten tief einprägt.«6 Gleichnis erwähnt. Jesu Bemerkung zielt auf jene, die seine Zuhörer sind, ihn aber ablehnen.

II. »Von seinem Geist belebt und geeint, schreiten wir der Vollendung der menschlichen Geschichte entgegen, die mit dem Plan seiner Liebe zusammenfällt: alles in Christus dem Haupt zusammenzufassen, was im Himmel und was auf Erden ist (Eph 1,10). Die Anwesenheit der Kirche in der Welt macht die Schätze Christi in ihr gegenwärtig. Aber das Wirken der Kirche in der Gesellschaft vollzieht sich vornehmlich durch das Wirken vieler einzelner. Jedem hat Gott die Zeitspanne seines Lebens gegeben, die ihm verliehenen Gaben verliehenen Gaben fruchtbar werden zu lassen, indem er beiträgt zum Wachsen des Reiches Gottes und zur Gegenwart des Christlichen in den irdischen Wirklichkeiten. Denn nichts ist Gott fremd, alles ist von ihm erschaffen und auf ihn hingeordnet.

Der Herr sagt: Siehe ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.8 Nur in ihm finden wir den Sinn unseres Lebens und Handelns auf Erden.

Wir sollen treue Verwalter sein, bemüht, während der Abwesenheit ihres Herrn seine Güter zu mehren, statt gegen ihn zu intrigieren. Da ihn aber die Einwohner seines Landes haßten, schickten sie eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, daß dieser Mann unser König wird. Wir haben bereits den historischen Hintergrund dieses Gedankenstranges im Gleichnis erwähnt. Jesu Bemerkung zielt auf jene, die seine Zuhörer sind, ihn aber ablehnen. Jesus sieht den Haß, der aus ihren Augen spricht, und weiß, daß seine Güte und Barmherzigkeit ihn nur noch schüren werden bis zur Passion.

Diese Auflehnung gegen Christus zieht sich durch die Jahrhunderte. Gibt es sie nicht auch in unserer Zeit? In Literatur, Film und Fernsehen, in Kunst und Wissenschaft und im permissiven Verhaltenscodex unserer Gesellschaft finden wir häufig, offen oder versteckt, eine feindselige Haltung. Sie ist manchmal rätselhaft; denn Christus »zwingt sich nicht als Herrscher auf, er zeigt uns schweigend seine durchbohrten Hände und bittet um etwas Liebe.

Warum also kennen ihn so viele Menschen nicht? Warum immer noch jenes rohe Aufbegehren? Nolumus hunc regnare super nos (Lk 19,14), wir wollen nicht, daß dieser als König über uns herrsche. Millionen Menschen auf der Erde stellen sich so Christus entgegen, besser gesagt: seinem Schattenbild, denn sie kennen Christus nicht, sie haben die Schönheit seines Antlitzes nie gesehen, die Größe seiner Lehre nie kennengelernt.

Angesichts dieses traurigen Schauspiels fühle ich mich gedrängt, dem Herrn Genugtuung zu leisten, und wenn ich jenen unaufhörlichen Schrei der Auflehnung höre, der weniger in Worten als in schlechten Taten besteht, fühle ich mich gedrängt, laut zu rufen: Oportet illum regnare! (1 Kor 15,25) Er soll als König herrschen. (...) Schon seit langem wiederhole ich in meinem Inneren den Ruf: Serviam! Ich will dienen! Möge er in uns diesen Wunsch nach Hingabe und Treue gegenüber seinem göttlichen Ruf mitten in der Welt, sozusagen auf der Straße, in aller Natürlichkeit und ohne Aufsehen, stärken. Sagen wir ihm aus der Tiefe unseres Herzens Dank. Wenden wir uns an ihn, beten wir zu ihm als seine Diener - als seine Kinder!«9

Das Gottesreich ist ein Reich der Freiheit, jener Freiheit, die er uns erworben hat.10 Folgen wir Christus als dem König und Herrn, als dem Heiland der Menschheit und jedes einzelnen: Serviam! Ich will dir dienen, Herr, sagen wir ihm in unserem Gebet.

III. In einem dritten Teil des Gleichnisses ist von der Heimkehr des Herrn als König die Rede. Er belohnt die treuen Diener und bestraft jene, die seine Abwesenheit dazu benutzt haben, gegen ihn zu intrigieren.

Denn der Mensch »ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund für seine Würde de.«11 Alles soll auf dieses Ziel hingeordnet sein, damit wir ihn einmal in der Ewigkeit mit der Muttergottes, den Engeln und allen Heiligen verherrlichen. Dies im Blick, werden wir gute Verwalter seiner Güter sein. »Wer seinen Leib sich unterwirft und Herr über seine Seele ist, ohne sich von Leidenschaften überfluten zu lassen, kann als König bezeichnet werden, weil er seine Person zu regieren vermag. Er ist frei und unabhängig und läßt sich nicht durch eine sündige Knechtschaft .«12

»Ihr werdet es nie bereuen, ihn geliebt zu haben« sagt der heilige Augustinus13. Christus ist schon auf dieser Erde ein gerechter und großzügiger Herr, der die Treue belohnt. Um wieviel mehr erst im Himmel! Treue heißt, daß wir - bevor wir den ewigen Lohn erhalten - sein Reich unter uns ausbreiten: Vor»allem die Laien sollen »die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, wenn irgendwo Gewohnheiten zur Sünde reizen, so heilen, daß dies alles nach den Richtlinien der Gerechtigkeit gestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als schädlich ist. Durch solches Tun erfüllen sie die Kultur und die menschlichen Tätigkeiten mit sittlichem Wert.«14

In Zeiten großer Glaubensbedrängnis war »Christkönig= Abwehr gegen einen heidnischen Laizismus, ein Sich-Besinnen auf das Starksein in Christus. Um uns auf dieses Fest vorzubereiten, das das Kirchenjahr abschließt, kann ein Stoßgebet wie Regnare Christum volumus, Christus soll herrschen, uns Kraft im Innere verleihen und zu apostolischem Wirken anspornen. Jesus Christus soll zuerst in uns herrschen - im Verstand, im Herzen, im ganzen Sein. Und durch uns dort, wo wir leben und wirken. Wir bitten ihn: »Herr Jesus: Schenke mir ein tiefes Empfinden für deine Gnade und eine solche Fügsamkeit ihr gegenüber, daß mein Herz - von allem Ballast des Egoismus befreit - ganz von dir erfüllt werde. Denn du bist mein Freund, mein Bruder, mein König, mein Gott - meine einzige Liebe.«15

Lk 19,11-28. - 2 G.Kroll, Auf den Spuren Jesu, Stuttgart 1988, S.75. - 3 Regensburger Neues Testament, Bd.3, Regensburg 1955, S.288. - 4 vgl. Mt 25,14-30. - 5 Lk 19,11-28. - 6 J.Escrivá, Christus begegnen, 121. - 7 II.Vat.Konz., Konst. Gaudium et spes, 45. - 8 Offb 22,12-13. - 9 J.Escrivá, Christus begegnen, 179. - 10 vgl. Gal 4,31. - 11 Katechismus der Katholischen Kirche, 356. - 12 Ambrosius, Auslegung des 118. Psalms. - 13 Augustinus, Predigt, 51,2. - 14 II.Vat.Konz., Konst. Lumen gentium, 36. - 15 J.Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr.913.

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